Der siebensitzige Toyota Prius+ begab sich vor wenigen Monaten auf eine Frischzellenkur. Auf diesem Wege haben die Japaner der umweltbewussten Familienkutsche ein optisches Lifting und somit das neue Markengesicht verpasst. Neue Innovationen sowie Verbesserungen im Detail, aber auch eine umfangreichere Serienausstattung oder aber der nun die Abgasnorm Euro6 erfüllende Hybridmotor steigern zudem die Attraktivität des Fahrzeugs. Geblieben sind die Tugenden bis zu sieben Personen beherbergen zu können oder alternativ und mühelos bis zu 1.750 Liter Gepäck zu transportieren und das zu einem attraktiven Anschaffungspreis. Nur eines bietet der Prius+ auch weiterhin nicht, Fahrspaß!
Schönheitsoperationen führen nicht zwingend zu einem gelungenen Ergebnis. Eine These die meist jedoch auf die Gattung Mensch zutrifft, optische Retuschen am Automobil ziehen dagegen weitaus positivere Effekte nach sich.
So sorgt das neue Familiengesicht beim aktuellen Toyota Prius+ nicht nur für eine spürbare Verjüngung, auch an Dynamik legt der ohnehin schnittig geformte Van zu. Bei einer deutlich überarbeiteten Frontpartie allein bleibt es jedoch nicht, auch am Heck sorgt eine neue Rückleuchtengrafik und ein modifizierter Stoßfänger mit dem integrierten Diffusor für einen frischeren Auftritt und einen satteren Stand.
Ganz klar ein Abkömmling des Prius, bietet die 135 Millimeter längere, 30 Millimeter breitere und 85 Millimeter höhere „+“-Variante aber deutlich mehr Platz für Insassen und Gepäck.
So ermöglicht allein der um 80 mm verlängerte Radstand die Unterbringung von sieben Sitzplätzen, wenn auch zugegeben in der dritten Sitzreihe Großgewachsene nicht mehr all zu bequem reisen und nur auf Kurzstrecken Platz nehmen sollten. Auch der Zustieg dorthin geht nicht ohne Verrenkungen vonstatten.
Großzügig bemessen sind dagegen der Ein- und Ausstieg sowie die Platzverhältnisse der ersten beiden Sitzreihen. Bevor ich mir diese jedoch näher ansehe, noch schnell die zwei Zusatzsitze im Verhältnis 50:50 im Boden versenkt und den Gepäckraum von bereits guten 232 Litern bei siebensitziger Konfiguration auf 784 Liter vergrößert.
Die drei Sitze der zweiten Reihe lassen sich nicht nur individuell in der Neigung der Rückenlehnen (übrigens auch in der dritten Reihe möglich) verstellen, sondern auch einzeln nach Bedarf verschieben oder umklappen. Lege ich diese auch hier vollständig um, stehen in der XL-Version des Prius bis zu 1.750 Liter zur Verfügung.
Durch Umlegen des Mittelsitzes können trotz Nutzung der äußeren Plätze auch lange Gegenstände mühelos transportiert werden.
Dank der weit aufschwingenden Heckklappe und der großen Öffnung ist das Ladeabteil komfortabel erreichbar. Wenn auch die Ladekante etwas höher liegt, so muss das Gepäck nicht weit herausgewuchtet werden, da Toyota auf eine tiefe Stufe verzichtet. Der Ladeboden ist zudem durchgängig eben.
Da die kompakte Lithium-Ionen-Batterie ihren Platz unter der Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen gefunden hat, ist es Toyota möglich neben den zahlreichen kleineren Staufächern auch unter dem Gepäckraumboden ein weiteres Staufach mit einem Fassungsvermögen von bis zu 60 Litern zu schaffen.
An Verstaumöglichkeiten mangelt es dem Prius+ keineswegs, doch die „Plüsch“-Sessel lassen leider den nötigen Seitenhalt vermissen und wollen nicht so recht zur futuristischen Cockpit-Gestaltung passen.
Mit dem aktuellen Modelljahr sind auch wirksame Überarbeitungen an der Instrumententafel und dem verbesserten Multimedia-System auszumachen. Neue Materialien sollen zudem die Gesamtanmutung heben, dennoch ist die teils willkürliche Gestaltung nicht jedermanns Geschmack.
Auch das serienmäßige Multimedia-Systems Toyota Touch2 präsentiert sich in seiner neuesten Generation und lässt sich mittels neuer Tasten noch intuitiver und genauer bedienen. Des weiteren ist über den 6,1-Zoll großen Touchscreen eine Steuerung per Fingerstrich möglich, dieser wartet wiederum mit zusätzlichen Farben und einer höheren Auflösung auf.
Auch das Navigationssystem des Toyota Touch2 & Go hat Verbesserungen im Detail vorzuweisen, so liefert das System erweiterte Verkehrsinformationen und zeigt direkt auf der Karte an, wo sich Staus und Behinderungen befinden und wie viel Zeit hier einzurechnen ist, alternative Routenoptionen inklusive.
Neben der Vernetzung mit dem Smartphone ist mittels Toyota Touch auch der Eintritt in das WorldWideWeb möglich. Dienste wie die Toyota Echtzeit-Verkehrsinformationen powered by TomTom, Google Street View, Panoramio oder Google Local Search können so im Fahrzeug genutzt werden.
Für den Kaufinteressent eines Familien-Van haben seit jeher Raumökonomie und Flexibilität oberste Priorität, dass jedoch auch diese Fahrzeuggattung Agilität nicht gänzlich ausschließen muss, haben bereits einige Mitbewerber bewiesen. Dem Prius+ ist Sportlichkeit jedoch ein wahres Fremdwort. Eine Charaktereigenschaft, die allerdings nicht nur dem Fahrwerk zu Grunde liegt, wie das Kapitel „Motor“ aufzeigen wird.
Der große Bruder besitzt im Kern die gleiche Fahrwerkskonstruktion wie der Prius mit MacPherson Vorderachse und Torsionslenker-Hinterachse. Und trotz der vorgenommenen Überarbeitungen kommt auch hier beim Kurvenräubern einfach kein Spaß auf. Um den deutlich üppigeren Fahrzeugabmessungen entgegenzuwirken haben die Ingenieure das Fahrzeug zwar mit einer neuartigen Ein- und Ausfeder-Regelung ausgestattet, die Karosseriebewegungen durch eine direkte Regelung des vom Elektromotor abgegebenen Drehmoments verringern, doch dem schwammigen Gefühl kann die Technologie nicht entgegenwirken.
Die an sich präzise geschwindigkeitsabhängige elektrische Servolenkung EPS fühlt sich zudem sehr synthetisch an und lässt die entsprechende Rückmeldung vermissen.
In punkto Langstreckenkomfort kann der Raumriese wiederum glänzen. Recht ausgewogen bügelt er Bodenwellen aus und wenn auch grobe kurze Straßenschäden ins Innere dringen, so bleibt der gebotene Komfort auf hohem Niveau.
Wer die Topausstattung ordert, findet dank entsprechendem Assistenten nicht nur die passende Parklücke, sondern wird auch automatisch in diese hineinbugsiert, einzig Gas und Bremse müssen noch von Dir betätigt werden.
Zum Gesamtcharakter passt auch die Bremsanlage, spricht diese zwar gut an und verzögert das Fahrzeug mit 39,6 Meter angemessen aus Tempo 100 bis zum Stillstand, so ist der Tritt auf das Gaspedal weich und nicht definiert genug.
Das Herzstück wird praktisch unverändert übernommen, erfüllt im neuen Modelljahr aber die Abgasnorm Euro6.
Im Zusammenspiel aus dem 1,8-Liter-Benzinmotor und dem Elektromotor entsteht eine Systemleistung von 136 PS (100 kW). Zunächst geht der Prius+ mit dem Elektroantrieb ans Werk. Allerdings darf hier nicht zu viel erwartet oder gar gefordert werden, in diesem Fall schaltet sich ohnehin der Benzinmotor lautstark hinzu.
Gerade der rapide Wechsel von nahezu geräuschlos zu unangenehm laut ist eine Tatsache an die ich mich einfach nicht gewöhnen konnte. Und während der Ottomotor an sich einigermaßen kultiviert arbeitet, so beginnt er unter Volllast laut und angestrengt zu Dröhnen. Der spritzige Vortrieb bleibt aber auch weiterhin aus.
Die drei zur Wahl stehenden Fahrprogramme „EV-Modus, ECO-Modus und der POWER-Modus“ können per einfachem Tastendruck ausgewählt werden. Im EV-Modus kann ich bis zu zwei Kilometer und einer Geschwindigkeit von 45 km/h rein elektrisch zurücklegen.
Ist der ECO-Modus aktiviert, schaltet sich der Benzinmotor ebenfalls bei Bedarf zu, das Ansprechverhalten auf Gasbefehle ist hier allerdings noch zurückhaltender. Um effizient unterwegs zu sein, arbeitet auch die Klimaautomatik dann im Sparmodus.
Gegenteilig hierzu arbeitet der POWER-Modus, doch auch hier vergehen immer noch 11,3 Sekunden für den Standardsprint von 0 auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit ist bereits bei 165 km/h erreicht.
Die stufenlos variable Getriebeautomatik CVT trägt zum mäßigen Beschleunigungsverhalten bei, kommt im Toyota Prius+ aber stets, also ausschließlich zum Einsatz.
Doch mit wie viel Liter begnügt sich das Hybridmodell letzten Endes? Toyota gibt den Durchschnittsverbrauch mit 4,1 Liter an (entspricht einem CO2-Wert von 96 g/km), während meiner Testfahrten genehmigte sich der Prius+ aber gut einen Liter mehr. Werte die mit Dieselmodellen ebenfalls zu realisieren sind, Fahrspaß inklusive.
Innovative Hilfen, wie ein Toter-Winkel-Warner oder ein Spurhalteassistent finden wir auch im aktuellen Modelljahr nicht, dennoch haben sich die Verantwortlichen das Pre-Crash Safety System zur Brust genommen und dieses weiter verbessert.
Hindernisse werden nicht nur erkannt, bei einer drohenden Kollision wird der Fahrer außerdem gewarnt und durch Einleiten einer Notbremsung auch die Unfallfolgen abgeschwächt.
Von den drei zur Wahl stehenden Ausstattungen hat sich Toyota mit dem Facelift verabschiedet und in diesem Atemzug sogleich die ab 31.500 Euro erhältliche Einstiegsversion mit mehr Ausstattung versehen. Die LED-Scheinwerfer inklusive Tagfahrlicht, eine Klimaautomatik und der Berganfahrassistent zählen nun zum serienmäßigen Ausstattungsumfang, ebenso die längst überfällige Gepäckraumabdeckung.
Die Abblendlichtautomatik, das Head-up-Display, ein Regensensor oder auch die Rückfahrkamera und die beheizbaren Sitze sowie das erwähnte Pre-Crash Safety System bleiben aber auch weiterhin der nächst höheren und somit der Topausstattung „Comfort“ vorbehalten. Mit hierfür fälligen 32.900 Euro hält sich der Aufpreis aber erfreulicherweise sehr in Grenzen.
Mit dem Kauf eines Toyota Prius+ gewährt der Hersteller dem Kunden zudem ein umfangreiches Service- und Garantiepaket. Angefangen bei der 3-Jahres-Garantie gibt Toyota auch eine Fünf-Jahres-Garantie auf die Hybridkomponenten (ebenfalls bis 100.000 Kilometer) sowie eine 12-Jahres-Garantie gegen Durchrostung. In den ersten drei Jahren nach der Erstzulassung sichert Toyota Prius Assistance dem Fahrer außerdem eine rund um die Uhr Soforthilfe bei einer Panne, einem Unfall oder bei Diebstahl zu.
Stand: Juli 2015; Text: CARWALK; Fotos: Toyota