Lada ist absolut das Gegenteil von teuer, billiger kann man kaum einen Neuwagen erstehen. Und das spuert man dann natürlich auch an allen Ecken, das geht bei einfachster Technik los und endet auch noch nicht bei einfachsten Materialien. Er hat nur das, was vom Gesetz her gefordert wird, alles andere ist einfach nicht da. Aber braucht man mehr? Es gibt keinen Tippblinker, keine Lichtautomatik, keinen Regensensor, keine Klimaanlage, von Spurhalteassistent, Toter Winkel-Warner oder Einparkautomat gar nicht zu reden. Aber er hat ABS, er hat sogar ESP und elektrische Fensterheber vorne. Und 7.290,- Euro sind doch mal eine Ansage.
In punkto Optik ist der Lada Granta allerdings noch nicht im neuen Zeitalter angekommen. In den Radhäusern stecken aber immerhin Alufelgen im 15 Zoll Format – und zwar serienmäßig, wie auch die Metallic-Lackierung keinen Aufpreis fordert.
Doch dieses Stummelheck, dass den Granta hochbeinig und dann auch etwas schmalbrüstig dastehen lässt und den Eindruck erweckt, als sollte er für’s Gelände taugen, zumindest Feldwege sind mit ihm dann auch kein Problem.
Werfe ich also einen Blick ins Innere, auch hier kein Anflug von Moderne zu sehen. Kann sich die Grundgestaltung durchaus noch sehen lassen, zeigt sich beim näheren Hinsehen dann doch, dass vor allem an allen Ecken und Enden gespart wurde, durch die Bank wirkt der Kunststoff ziemlich billig. Selbst mal ein helles Kunststoffteil kam nicht in Frage (doch, am Schaltknauf und rund um die Türlautsprecher), die Schalter am Armaturenbrett sind einfach, sie erfüllen halt ihren Zweck und sind gut erreichbar, die Drehschalter etc. für Heizung und Lüftung sind antiquiert und das von JVC zugekaufte Radio hat schon Jahrzehnte auf dem Buckel.
Aber alles was da ist ist auch beleuchtet, und zwar in einem grüngelblichen Licht. Das gilt auch für die Zahlen von Tacho und Drehzahlmesser, dazu gesellen sich dann rote Zeiger. Zwischen den beiden Rundinstrumenten steckt ein Display, das neben dem Kilometerstand und der Uhrzeit auch die Informationen des Bordcomputers anzeigen, dazu gehören u.a. der Momentanverbrauch, der Gesamt- und der Durchschnittsverbrauch. Der Bordcomputer zeigt aber auch dann einen Benzinverbrauch an, wenn man gar nicht mit Benzin sondern mit Gas fährt, und auch die Reichweite geht dann mit runter. Eine Reichweite für den Gasbetrieb wird ohnehin nicht angezeigt. Darunter steckt die digitale Tankanzeige für den Benzintank.
Nachdem mein Testwagen für den Betrieb mit Autogas aufgerüstet war, hatte er auf dem Kardantunnel ein Zusatzinstrument, mit dem der Füllstand und der Betriebszustand in Sachen Autogas angezeigt und auch aktiviert wird. Diese Lichter spiegeln sich extrem im Seitenfenster und es dauert lange, bis man diese Spiegelung nicht mehr für ein sich näherndes Auto hält.
Immerhin gehen vorne die Fenster elektrisch auf, allerdings auch nicht bis ganz runter, hinten nur manuell und gerade mal bis zur Hälfte. Und das, wo er keine Klimaanlage besitzt und man doch sicher öfter mal im Sommer Frischluft gebrauchen kann.
Vorne gelingt der Einstieg wie auch das Raus sehr bequem, das Platzangebot ist sehr gut. Die Sitze sind zwar ausreichend groß, aber nicht sonderlich straff gepolstert, man setzt sich schnell ein, außerdem sind sie nicht sonderlich stark ausgeformt und geben wenig Seitenhalt. Die Lehnenverstellung erfolgt schön feinrastrig mittels Drehrad, eine Lordosenstütze ist aber Fehlanzeige. Insgesamt – es fehlt auch eine Sitzhöhenverstellung – sitze ich persönlich einfach etwas zu hoch.
Auch hinten kommt man ganz bequem rein, beim Raus wird es für 1,80 m große Menschen vor allem im Fußraum etwas eng, an der B-Säule und an der Türverkleidung.
1,80 m hinter einem ebenso großen Fahrer geht was die Beine angeht gerade so, die Knie stoßen in die weichen Lehnen der Vordersitze, der Kopfraum ist dann noch gut. Nebeneinander sitzen drei Erwachsene recht eng, in der Mitte bleibt dann kaum Raum für die Beine. Zwei sitzen hier aber ganz bequem.
Den Kofferraumdeckel muss man von Hand und auch ganz ordentlich und langsam nach oben heben, denn ist er nicht ganz oben, fällt er von alleine wieder ein Stück nach unten und man stößt sich den Kopf, oder er schwingt zu schnell nach oben, auch dann kommt er wieder zurück. Stoßen kann man sich ohnehin am weit hervorstehenden Schloss.
Die Ladekante ist gut geschützt, die Stoßstange nicht. Der Kofferraum ist mit 480 Litern schön groß und gut nutzbar, auch wenn die Radkästen recht weit hineinragen. Leider schwenken die Schaniere nach innen in den Laderaum und drücken ggf. aufs Gepäck.
Die Rücksitze können komplett als Bank umgelegt werden, dazu erst die Sitzfläche hoch dann die Lehne vor, die Kopfstützen müssen vorher raus. Die Ladefläche ist fast eben, aber zwischen dem stabilen Ladeboden und der Rücksitzlehne bliebt ein Spalt zurück. Der solide Boden, der im Kofferraum über dem Gastank liegt, gibt auch noch links und rechts ein paar kleinere Fächer frei.
Wie viel Komfort darf man von einem Auto für 7.290,- Euro erwarten?
Komfortfeatures kosten Geld, somit sind die elektrischen Fensterheber das einzige serienmäßige Verwöhnextra. Sitzheizung kostet 420,- Euro jeweils für Fahrer und Beifahrer und selbst für das CD-Radio sind 200,- Euro zu berappen.
Gespart wurde auch am Dämmmaterial, das bedeutet das Fahrzeug ist relativ laut, der Motor ist stets akustisch präsent, ob flott oder langsam gefahren. Und auch beim Schließen der Türen scheppert und knallt es ganz schön.
Wenig Komfort bietet auch das Fahrwerk, der Lada Granta ist recht straff, fast schon hart gefedert, so bekommen die Insassen alle Straßenschäden recht unkomfortabel mit. Auf Kopfsteinpflaster jault bisweilen das gesamte Armaturenbrett in allen Tönen. Kommt man über viele kurze Querrillen, beginnt er ungemütlich zu hüpfen.
Das Sparen geht z.B. auch hier weiter: Nur die Fahrertür besitzt einen Kontakt, der das Innenlicht angehen lässt und der nicht angelegte Gurt piepst auch nur beim Fahrer.
Die Lenkung hat um die Mittellage rum ordentlich Spiel, agiert ausreichend straff aber insgesamt etwas indirekt, man muss z.B. im Slalomtest recht viel lenken, die Karosserie kommt dabei ins Schwanken. Die geringe Rückstellkraft bedeutet, dass man das Lenkrad richtig wieder auf Geradeaus stellen muss. Der Granta untersteuert insgesamt gutmütig, liegt auch bei Nässe noch gut auf der Straße, wenn man aber mal etwas flotter um die Kurven geht, was das Auto klaglos mitgemacht hätte, schaltet sich sofort deutlich spürbar das ESP ein. Dass das Lenkrad nur in der Höhe zu verstellen ist stört weniger als das billige Hartplastik.
Jenseits der 130 mehren sich Wind – und Abrollgeräusche, das dumpfe Brummen des Motors wird dann auch laut. Solange der Schnee auf der Straße eine gewisse Höhe nicht übersteigt, glänzt der Lada Granta mit einer guten Traktion, sein niedriges Gewicht sorgt aber bei mehr Schnee dafür, dass er unruhig wird und kaum noch aus der eingefahrenen Spur oder wieder dort hin zurück zu bringen ist.
Hat man sich für eine bestimmte Temperatur entschieden und kommt dann nach Stadt und Landstraße auf die Autobahn und fährt deutlich schneller, muss man die Temperatureinstellung wesentlich höher drehen, um die gleiche Raumtemperatur zu behalten.
Eine Vollbremsung aus Tempo 100 auf trockener, gut asphaltierter Fahrbahn ist unproblematisch, hier steht er nach 38 Metern. Bei Nässe und ungleichmäßigem Untergrund wird er jedoch schwammig. Er besitzt ABS nebst Bremsassistent und vorne innenbelüftete Scheibenbremsen, hinten gehen Trommelbremsen ans Werk. Dosierbarkeit und Ansprechverhalten sind okay.
Der Motor ist im Prinzip schon ein altbekannter Geselle. Der 1,6 Liter Vierzylinder Benziner mit 8 Ventilen leistet 64 kW / 87 PS und stellt sein maximales Drehmoment von 140 Nm bei 3.8800 U/min zur Verfügung. Mehr noch als es die reinen Fakten mit Spitze 169 km/h und Null auf Hundert in 12,6 Sekunden erwarten lassen gibt er sich im Alltag ganz schön spritzig, die spartanische Ausstattung macht sich natürlich auch im Gewicht (1.080 kg) bemerkbar und so geht er spürbar flotter ans Werk als vergleichbar motorisierte Fahrzeuge.
Auf meiner Teststrecke habe ich zwischen 6,0 und 6,4 Liter verbraucht, womit ich sogar unter der Werksangabe geblieben bin, um die 130 spielt sich der Verbrauch um die 7,5 Liter ab. Schon bei Tempo 120 ist der Geräuschpegel ziemlich hoch, hier würde sicher auch ein sechster Gang etwas Abhilfe schaffen können. 170 erreicht er recht flott, aber dann wird er sehr laut und wenn es um Kurven geht, geht auch die sichere Straßenlage verloren und es muss auch oft an der Lenkung korrigiert werden, da geht man gerne freiwillig etwas mit dem Tempo zurück.
Sobald der Granta seine Betriebstemperatur erreicht hat, lassen sich auch die Gänge des serienmäßigen Fünfgang-Handschalters ganz prima einlegen, die Wege gehen in Ordnung, die Führung auch, nur ein kleiner Holperer über die Leerlaufstellung ist zu spüren. Die Getriebeabstufung passt so weit, auch wenn der erste Gang recht kurz übersetzt ist. Seine Schaltempfehlung arbeitet gut. Wo sich andere durch rauf, rauf, rauf um Kopf und Kragen empfehlen, getraut sich die im Granta auch schon mal – völlig richtig – ein oder gar zwei Gänge zurück schalten zu wollen. Er hat kein Start-Stopp, damit lässt sich zum Teil auch der hohe Stadtverbrauch von 9 Litern (Werksangabe) erklären.
Wer viel fährt wird daher in jedem Fall über die Möglichkeit der Ausrüstung mit einer Autogasanlage nachdenken, auch wenn die mit 2.350,- Euro vergleichsweise teuer ins Gewicht fällt. Wer nur 10.000 km pro Jahr fährt, der braucht nach momentanem Preislevel rund 5 ½ Jahre, bis sich die Anlage bezahlt gemacht hat. Bei 15.000 km jährlich sind es schon nur noch gut 4 Jahre.
Ich habe den Test gemacht und bin 410 km mit Autogas gefahren, bis auf die wenigen Kilometer, die er dabei mit Benzin fahren musste bis die richtige Temperatur erreicht war. Dann habe ich 31,53 Liter Autogas für 17,94 Euro / 56,9 Cent je Liter getankt. Benzin kostete zu dem Zeitpunkt 1,309 Euro.
Sicherheit, in diesem Kapitel macht sich der Sparzwang am stärksten bemerkbar. ABS, ESP und elektronische Wegfahrsperre sind in der Zwischenzeit auch hier angekommen, in Sachen Airbags hinkt der Granta mit ausschließlich verbauten Front-Airbags für Fahrer und Beifahrer aber hinterher.
Und sonst sind nur die Dreipunktsicherheitsgurte und Kopfstützen drin. Weitere lebensrettende Luftsäcke, ISOFIX oder gar ein Frontkollisionswarner, Spurhalteassistenten oder, oder findest Du auch nicht in der Aufpreisliste.
Dieser Verzicht muss Dir der Preis wert sein, denn mein 4,26 Meter kurzer Testwagen steht mit 7.290,- Euro in der Preisliste, inklusive Alufelgen, Metallic-Lackierung, Radiovorbereitung mit Lautsprechern in den Türen vorne und Dachantenne, Zentralverriegelung, Servolenkung, Heckscheibenheizung, elektrischen Fensterhebern vorne, Colorverglasung und von innen manuell verstellbaren Außenspiegeln und was ich sonst noch so im Test erwähnt habe.
Neben der erwähnten Autogasanlage bietet Lada eine abnehmbare Anhängerkupplung für 690,- Euro , eine Laderaumbodenverstärkung bei Nutzung der Autogasanlage für 150,- Euro, eine Verdunklungsfolie für die hinteren Scheiben für 340,- Euro, die Sitzheizung vorne (je Sitz) 420,- Euro und das CD-Radio für 200,- Euro an.
Wer kein Auto zum Angeben sondern als soliden täglichen Begleiter auch für die Obst- und Holzernte braucht, der ist mit dem Lada Granta gar nicht mal schlecht bedient. Und es ist erstaunlich, wie schnell man sich daran gewöhnt hat, das Licht von Hand einzuschalten, wenn es regnet auch den Scheibenwischer selbst zu aktiveren und den Kopf zur Seite zu drehen, um sich davon zu überzeugen, dass sich kein Fahrzeug im Toten Winkel befindet …
Der Lada Granta erfüllt die Abgasnorm Euro 6b, kostet im Jahr 140 Euro an Kfz-Steuer und bringt eine 3-Jahres-Garantie auf das Fahrzeug sowie sechs Jahre gegen Durchrostung mit.
Stand: Februar 2016, Test und Fotos: CARWALK
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